Karmann – durch diesen Namen ist Osnabrück für immer untrennbar mit der Automobilindustrie verbunden. Zwar produzierte der Karosseriebauer nur zwei Fahrzeuge unter seinem eigenen Namen – den Volkswagen Karmann Ghia Typ 14 und den Karmann Ghia Typ 34 –, doch damit hat er sich quasi unsterblich gemacht. Auch wenn Karmann seit 2010 als Karosseriebauer nicht mehr existiert, so werden an gleicher Stelle weiterhin Autos gebaut – nun direkt durch die Volkswagen AG, einst größter Kunde der Firma Karmann.
Am 1. August 1901 übernimmt der damals 30jährige gelernte Stellmacher Wilhelm Karmann den renommierten Osnabrücker Wagenbaubetrieb Christian Klages. Damit beginnt nicht nur die über Jahrzehnte andauernde Erfolgsgeschichte der Firma Karmann, auch nach der Insolvenz ist die Stadt Osnabrück Automobilbau-Standort.
Als Wilhelm Karmann die Firma Klages von der Witwe des Firmengründers übernimmt, ist das Automobil nur wenige Jahre alt. Erst 15 Jahre zuvor hat Carl Benz seinen „Benz Patent-Motorwagen Nummer 1“ zum Patent angemeldet. Karmann baut und repariert mit 10 Mitarbeitern Kutschen: Jagdwagen, Landauer, Coupés und Landaulets. Doch schon ein Jahr später entsteht in der Karmann-Werkstatt in der Osnabrücker Innenstadt die erste Automobil-Karosserie für die im nahen Bielefeld ansässigen Dürkopp-Werke.
Doch es bleibt nicht bei dieser Karosserie für Dürkopp. In den folgenden Jahren entstehen in Osnabrück Aufbauten für Adler, Opel und weitere Hersteller. 1911 zieht die Firma in die Martinistr. 44 um, wo er das Gelände der Maschinenfabrik und Eisengießerei Lindemann übernimmt. 50 Mitarbeiter arbeiten für Karmann und schon bald konzentriert sich die Firma auf den Bau von Automobil-Karosserien. Als der Erste Weltkrieg ausbricht, sind es 70 Mitarbeiter, von denen die Hälfte nun in den Krieg geschickt wird. Nach dem Krieg baut die Firma Handwagen, Ochsenkarren und sogar Stühle, um zu überleben.
Doch schon bald gehen die ersten Aufträge für Automobile ein. Alle größeren deutschen Hersteller wie die NAG, AGA und Protos arbeiten mit Karmann zusammen.
Nachdem Wilhelm Karmann 1924 aufgrund einer Einladung der US-amerikanischen Karosserie-Industrie Detroit besucht und die dortigen Fertigungsabläufe begutachten kann, will er die Abläufe auch in Deutschland umstellen und deutlich verbessern. In enger Absprache mit seinen Auftraggebern wird die Bauweise der Fahrzeuge immer weiter optimiert.
Ein Jahr später wird die Zusammenarbeit mit den Adler-Werken stark ausgebaut. Adler gehört nun zu den wichtigsten Kunden der Osnabrücker Karosseriebauer. Die Firma wächst und wächst und 1936 kommt der nächste große Schritt mit dem Erwerb großer Flächen an der Neulandstraße. Dort entsteht das Werk V.
Im mörderischen Zweiten Weltkrieg wird die Stadt Osnabrück bei 78 Luftangriffen weitestgehend zerstört, darunter auch das Karmann-Werk. Wieder schaffen es Wilhelm Karmann sen. und sein Sohn Wilhelm Karmann jun., das Werk erneut aufzubauen. Mitte 1948 beschäftigt Karmann bereits 437 Mitarbeiter.
1949 dann der entscheidende Schritt für Karmann: Heinrich Nordhoff, der Chef des Wolfsburger Volkswagenwerkes, erteilt den Auftrag des von Karmann entwickelten Käfer Cabriolets. Doch nur drei Jahre später stirbt Wilhelm Karmann sen. Zu diesem Zeitpunkt läuft bereits das 10.000ste Käfer-Cabrio in Osnabrück vom Band.
1953 stellt Wilhelm Karmann jun. dem VW-Chef Heinz Nordhoff den von Luigi Segre gezeichneten Prototyp eines eleganten Coupés auf VW Käfer-Basis vor: Das Karmann Ghia Coupé. Nordhoff ist begeistert und ab 1955 trägt das Coupé den Namen des Osnabrücker Karosseriebauers in die Welt. Zwei Jahre später folgt das Karmann Ghia Cabrio.
1960 erfolgt bei Sao Paulo die Gründung von „Karmann Ghia do Brasil“, 1964 entsteht ein weiteres Werk in Rheine. Karmann entwickelt sich zu einem der weltweit führenden Spezialisten für Cabriolets. Volkswagen, BMW, Porsche, Renault, Ford, Mercedes-Benz, Audi, MG, Jaguar, Opel, AMC – sie alle vertrauen zu Recht auf den hervorragenden Ruf der Osnabrücker.
2001 wird das 100jährige Jubiläum der Firma gefeiert. Der Name Karmann ist in aller Welt berühmt, einer der führenden Cabrio-Spezialisten und der bedeutendste Arbeitgeber der Hasestadt.
Doch 2010 kommt das Aus. 2009 geht Karmann in die Insolvenz und wird 2010 endgültig aufgelöst. Sollten nach über 100 Jahren nun keine Automobile mehr in Osnabrück gebaut werden? Nein, seit 2011 baut der Konzern, der einst zu den Hauptkunden von Karmann gehörte, in Osnabrück im einstigen Karmann-Werk wieder Fahrzeuge: Die Volkswagen AG. Derzeit laufen bei Volkswagen Osnabrück das Golf Cabriolet, der Porsche Cayman und der Porsche Cayenne sowie das Ein-Liter Auto VW XL 1 vom Band.
Die Firma Karmann hatte im Laufe der Jahrzehnte eine eindrucksvolle Fahrzeugsammlung angelegt. Diese einmalige Sammlung eines unabhängigen
Karosseriebauers wurde nach der Insolvenz von der Volkswagen AG übernommen und ist - im Rahmen einer Werksbesichtung - öffentlich zugänglich. In der Halle steht aber nur ein Teil der
umfangreichen Sammlung. Bei drei Besuchen im Jahr 2015 konnte ich zahlreiche Fotos "schießen". Diese finden Sie/findet ihr zusammen mit den Fahrzeugbeschreibungen in der Galerie "Automobilsammlung Volkswagen Osnabrück".